«Gsprigglet»
Helen Busslinger-Simmen
Nicht alle lieben es, wenn sich der Herbst mit Schneefall in der Höhe ankündigt. Zudem «maigglät» (dunkelt) es früher. Aber Wälder und Sträucher werden «gsprigglet» (bunt). Welche Augenweide! Auch die Berge haben ein anderes Licht und andere Farben. Man müsste malen können wie der Bündner Maler Giovanni Segantini, über dessen Leben gerade ein Buch erschienen ist: «Das Schönste, was ich sah.»
Der Herbst hat so fein abgestufte Farben, wie sie nur auf wenigen Malerpaletten zu finden sind. Bäume und Alpweiden werden hellbraun, dunkelrot, rosa, hellgrün, getupft, gesprenkelt, gestreift. Als Kinder haben wir Herbstblätter aufgelesen, weil sie uns kostbar schienen. Wir bewunderten jene, die «gsprigglet» waren, die wie von unsichtbarer Hand gezeichnete Tupfen hatten. Uns selbst fehlte die Geduld, solche «Mischterli» (Müsterchen) zu malen.
Von starken Farbengeprägt war die diesjährige Sommermode. Man trug etwa ein saftiges Rot, intensive Beerenfarben, Senfgelb, Türkis. Die Farben wurden kombiniert, sodass manche Modebewusste aussahen wie bunte Herbstblätter. Ältere Kleider und Anzüge möbelten wir mit «gspriggletä» Tüchern auf. Glücklicherweise bleibt die Freude an Farben bis im Winter hinein. Und neuerdings trägt man wieder Stricksachen wie früher. Wer schon im Sommer ein dickes Wolltuch um den Hals trug, tut es erst jetzt recht.
Zum Stricken und Häkeln gefunden hat auch der Urner Künstler Jürg Benninger aus Altdorf. Er hat hier die Mittelschule besucht, eine Grafikerlehre gemacht und arbeitet immer wieder mit andern Materialien. Jetzt «häägglät» (häkelt) und «lissmät» (strickt) er einmalige Kunstwerke. Benninger ist kein Unbekannter, er hat schon viele Einzelausstellungen gestaltet und Preise erhalten. Seine «gspriggletä» Figuren schauen einen mit so viel Witz an, dass man ein Lächeln nicht verkneifen kann.