«Cheschtlichi Hyyser»
Helen Busslinger-Simmen
Mit «cheschtlich» ist hier nichts Essbares gemeint, das Wort kommt von «kostbar, wertvoll». Wir haben hierzulande nicht nur prächtige Berge, sondern auch Häuser von historischer Bedeutung. «Cheschtlichi Hyyser» (wertvolle Häuser) werden von Fachleuten in der ganzen Schweiz mit dem Roten Nagel ausgezeichnet. Jetzt ist der Kanton Uri an der Reihe. Wer hätte gedacht, dass das Personalhaus der Dätwyler AG zu den architektonisch und zeitgeschichtlich wertvollen Häusern gehört?
Offenbar erfüllt das Personalhaus, an dem wir meistens achtlos vorbeigehen, hohe gestalterische Ansprüche und ist optimal eingebunden in die Umgebung. Der Rote Nagel will eine Art Sehschule sein: Wir sollen auf das Einzigartige eines bestimmten Hauses aufmerksam werden.
Ein Haus bleibt unvergesslich
«Cheschtlich» im tieferen Sinn ist für uns das Haus, in dem wir aufgewachsen sind. Ob es nun ein Chalet, ein altes Haus, ein Neubau oder ein Block ist – es gehörte uns. Wir atmeten seinen Geruch, behalten Farbe und Form in Erinnerung, können Einzelheiten wie Fensterläden oder Garten genau beschreiben. Wer geht am «Hüüs vo dr Chinderzyt» (Haus der Kinderzeit) vorbei ohne ein leichtes Ziehen in der Bauchgegend?
Oft geistert das Haus unserer Kindheit durch unsere Träume – vermutlich gibt es wenige, welche ihr Elternhaus ablehnen. Sind die «Maasä» (Flecken) an der Hausmauer nicht auf unsere Kinderstreiche zurückzuführen? Wir sehen die Steinplatten, wo wir die ersten Schritte machten, die Ecke, wo wir die erste Liebesumarmung genossen, die Mauernische, wo wir geheime Botschaften versteckten. Mochten Fremde das Haus als armselig bezeichnen, das kümmerte uns nicht – es war für uns da. Ich «phäuptä» (behaupte), das «cheschtlichsti Hüüs» für uns ist das Haus unserer Kindheit.