«Äs Guwär»
Helen Busslinger-Simmen
In diesen Tagen haben die Urner zwei «Guwäri» (Briefumschläge) in den Händen, «äs gälws» (gelbes) und «äs chryydigs» (weisses). In Ersteres legen sie den Zettel mit dem Namen des Ständerates nach ihrer Wahl. Ins weisse gehört der Namen des Nationalrates, den man nach Bern schicken will.
Das «Guwär» braucht man in Zeiten von E-Mail und Smartphones nicht mehr so oft wie früher. Und wenn, dann handelt es sich meist um Wichtiges: einen persönlichen Gruss zum Beispiel, sogar ein Legat, eine Absage oder eine Todesanzeige. Ein «Guwär» behandeln wir mit Sorgfalt und achten darauf, dass es nicht verloren geht.
Beim Wählen schreiben wir wieder mal von Hand, denn alles andere ist ungültig. So bemühen wir uns ums Schönschreiben, damit der Name gut lesbar ist. Hier bekommt die exakte Schrift, die vor langer Zeit in der Schule ziemlich verhasst war, wieder Aufwind.
Wenn der Kanton gute National- und Ständeräte hat, ist das ein Vorteil. Dass wir in der Schweiz über so vieles selbst bestimmen können, darüber staunt man im Ausland immer wieder aufs Neue. Zwar heisst es bei uns regelmässig: «Die dort oben machen ja sowieso das, was sie wollen.» Aber ist das nicht eine ziemlich faule Ausrede? Eine Stimme ist immer noch eine Stimme, die das Zünglein an der Waage beeinflusst.
Mir gefiele es, wenn es «ggratä» (gelingen) würde, einen ganz kurzen Leserbrief für die Frau oder den Mann seiner Wahl zu schreiben. Einen Leserbrief, der in seiner ganzen «Chirzi« (Kürze) einen fast umhaut oder mindestens zum Wählen animiert.