Uri von aussen gesehen
Folgende Porträts sind in der
Neuen Urner Zeitung erschienen:
«Urner behalten Boden unter den Füssen»
Fernsehmoderator Kurt Aeschbacher glaubt, jene Werte, die in Uri gelebt werden, könnten eine Renaissance erleben.
Helen Busslinger-Simmen
Das Fernsehpublikum kennt den 63-Jährigen vor allem von seiner wöchentlichen Late-Talk-Show «Aeschbacher». «Meine Passion ist es seit
drei Jahrzehnten, mit Menschen Gespräche zu führen», sagt Kurt Aeschbacher. «Dies versuche ich mit meiner Sendung mit viel Respekt vor dem
Gegenüber jede Woche aufs Neue auszuloten.» Aeschbacher interessiert die Verbindung von klassischer Musik und Worten. Deshalb hat er eine ganze
Reihe von Märchen zu klassischer Musik umgeschrieben und ins Berndeutsch übertragen. Für Kinder und Familien Stücke wie «Babar», «Nussknacker»,
«Peter und der Wolf» oder «Die Bremer Stadtmusikanten» vorzutragen, sei eine grosse Herausforderung.
Kurt Aeschbacher, Sie hatten schon Urner in Ihrer Sendung. Wie haben Sie sie erlebt?
Kurt Aeschbacher: Ich mag interessante Biografien, Menschen mit Ecken und Kanten, Leute, die ihren Weg gehen und etwas wagen.
Das sind für mich die spannenden Gäste, nach denen meine Redaktion und ich suchen. Wir möchten mit solchen Gesprächen Mut machen,
seinem Herz zu folgen und nicht nur die Konventionen einzuhalten oder einzig den Erwartungen seiner Umgebung zu genügen.
Prägt uns die eigene Heimat?
Aeschbacher: Ich glaube, dass die Landschaft, in der man gross wird, wo man seine Wurzeln hat, einen für das ganze Dasein prägt. Und da ist das
Urnerland ein wunderbarer Hort von Menschen, die unabhängig von schnelllebigen Moden den Boden unter den Füssen behalten und trotzdem immer
wieder über die schroffen Bergwände hinausblicken. Mich interessieren Geschichten und Traditionen, weil sie meiner Ansicht nach in unserer globalisierten
Welt immer wichtiger werden.
Können Traditionen nicht auch Staub ansetzen?
Aeschbacher: Wir leben in einer Zeit, die Traditionen als Ballast empfinden, anstatt daraus für eine bessere Zukunft unsere Lehren zu ziehen. Dazu müssen
wir aber wieder lernen, zuzuhören und sich mit gesundem Menschenverstand eine eigene Meinung zu bilden. Ich glaube, viele Urnerinnen und Urner
können das besser als die meisten Städter. Schliesslich gibt es ja auch kaum Sagen aus dem Grossstadtdschungel, dafür aber umso wunderbarere
Geschichten um Teufel und Brücken, um Geister und Feen, die in der Bergwelt zu Hause sind.
Wie denken Sie über die verschiedenen Krisen, die momentan herrschen?
Aeschbacher: Vor lauter Mobilität vergessen wir Nomaden in den grossen Städten, woher wir kommen, und haben verlernt, die Verantwortung für unser
Tun und deren Auswirkungen auf unsere Umgebung zu übernehmen. Wer keine Heimat mehr hat, keinen Bezug zur Natur, weil er in der
Welt herumvagabundiert, fühlt sich auch nicht für sein Handeln und die Konsequenzen verantwortlich. Aus dieser Unverbindlichkeit entstehen die
grossen Krisen, wie wir sie im Moment erleben.
Gibt es eine Renaissance der Werte?
Aeschbacher: Ich bin überzeugt, dass im kommenden Zeitalter des Verzichts, dem «age of less», wie die Trendforscher sagen, Werte, wie sie in Uri
noch verankert sind, eine Renaissance erleben werden. Vorausgesetzt, man trägt ihnen jetzt schon Sorge. Mein letzter Besuch vor Weihnachten im
Theater Uri in Altdorf war für mich ein besonderes Erlebnis: Zum ersten Mal stand ich in diesem wunderbaren Theater auf der Bühne und genoss die
Atmosphäre dieses Hauses. Aber wie verloren ist man – auch im schönsten Theater –, wenn das Publikum einen nicht anspornt. Meine Musikerkollegen
und ich erlebten mit «Den Bremer Stadtmusikanten» ein Publikum, Kinder wie Erwachsene, die begeistert bei unserem musikalischen Märchen mitmachten.