«Man sagt einander ‹is Gsicht›, was es zu sagen gilt»
Sepp Trütsch kennt Stadt und Land. Der Moderator sagt, was ihm am Kanton Uri und dem Leben auf dem Land gefällt.
Helen Busslinger-Simmen
Sepp Trütsch hat viele Talente. Einst absolvierte der Schwyzer eine Drogistenlehre, war freier Mitarbeiter bei
Radio und Fernsehen, Redaktor bei SRF Folklore und Moderator in unzähligen Fernsehsendungen wie etwa dem
«Grand Prix der Volksmusik». Heute besitzt der 65-Jährige das Hotel Wysses Rössli in Schwyz.
Trütsch kennt die Unterschiede von Stadt und Land. Auch der Kanton Uri ist ihm vertraut.
Sepp Trütsch, welche Beziehung haben Sie zu Uri?
Sepp Trütsch: Ich kenne den Kanton Uri gut und schätze ihn sehr. Ein Jahr lang habe ich in der damaligen Drogerie
Heussi in Andermatt verbracht und die Urschner mit den nötigen Medikamenten versorgt und dabei das Urserental kennen
und schätzen gelernt. Andermatt bleibt mir in bester Erinnerung.
Was macht Ihnen im Kanton Uri Eindruck?
Trütsch: Das Bestreben der Urnerinnen und Urner, eigenständig zu sein und auch zu bleiben. Mir gefällt der Uristier
im Wappen. Zudem hat Uri unglaublich schöne Berge, Täler und Seen und originelle Kulturangebote.
Sehen Sie Unterschiede zwischen den beiden Kantonen Uri und Schwyz?
Trütsch: Ich sehe keine entscheidenden Unterschiede. Beide Zentralschweizer Kantone sind freiheitsliebend und
lassen sich wenig oder nichts von aussen sagen oder vorschreiben.
Leben auf dem Land bekommt neu wieder mehr Gewicht. Warum?
Trütsch: Unsere Natur in der Zentralschweiz ist intakt, viele Familien aus der Stadt sind gerne bei uns. Denn viel
Grün, Wald, Bäche und Seen sind in nächster Nähe.
In Dörfern wird gegrüsst. In der Stadt scheint das unmöglich.
Trütsch: Das ist leider so. Bei uns gehört Grüssen zum Alltag. Wir schätzen das, unsere Eltern haben es uns vorgelebt.
In der Stadt kennen die Bewohner einander überhaupt nicht. Jeder schaut nur auf sich.
Zeigen Städter manchmal eine gewisse Arroganz gegenüber den Leuten auf dem Land?
Trütsch: Das habe ich leider sehr oft erleben müssen. Es gibt die Leute aus der Stadt, die uns in ein Schema zwingen,
uns durch ihre eigene Brille sehen und nicht viel Positives bemerken. Glücklicherweise gibt es auch andere.
Viele lieben das Landleben und beneiden uns und unseren Umgang miteinander. Man staunt oft über unser lebendiges Kulturgut.
Leute, die auf dem Land wohnen, sind oft direkt und unkompliziert.
Trütsch: Das ist so. Man sagt einander «is Gsicht», was es zu sagen gilt. Man teilt nicht in anonymen Briefen mit,
was man voneinander hält.
Sie sind viel herumgekommen. Was hörten und hören Sie über die Landbevölkerung?
Trütsch: Wir seien zwar stur, aber sehr herzlich. Dazu sage ich immer: «Lieber stur sein als gar keine Meinung haben und den Massenbewegungen folgen.»
Auf dem Land sind eher konservative Parteien stark im Gegensatz zu den Linksparteien in der Stadt.
Trütsch: Es gibt schon Spannungen schweizweit. Die Linksparteien haben es traditionell schwer bei uns auf dem Land.
Wie erleben Sie als Wirt die Unterschiede zwischen Stadt und Land?
Trütsch: Bei uns merken wir keine grossen Unterschiede. Die Gäste aus der Stadt fühlen sich bei uns sturen Schwyzern wohl.
Vor allem dann, wenn das Eis gebrochen ist und man miteinander ins Gespräch kommt. Wir hören oft sogar etwas Wehmut:
Viele möchten auch so leben wie hier, in einer intakten Gegend.
Dorfkultur hat heute ziemlich viel Gewicht.
Trütsch: Wir wachsen mit unseren Dorfkulturen auf, bekommen sie sozusagen mit der Muttermilch und sind stolz auf unsere
eigenen Anlässe mit ihrem ländlichen Touch. Vielleicht haben wir einen Heimatstempel auf der Stirne.
Könnten Sie in einer Grossstadt leben?
Trütsch: Ich habe sehr viele Jahre in Zürich beim Fernsehen gearbeitet und zum Teil dort gelebt. Mein schönster
Weg war aber die Strasse nach Schwyz.
Was würden Sie sich für die Städter wünschen?
Trütsch: Ich wünsche den Leuten in der Stadt mehr Zusammenhang, mehr Kultur, mehr Vereinsleben und weniger schräge Blicke.
Sie sollten uns nicht ihre Kultur aufzwingen. Denn wir haben unsere eigene Lebensart, unsere Gesetze, unsern Umgang auch
mit Reichen – und wollen uns nicht vorschreiben lassen, wie wir uns verhalten müssen.