Politexperte Iwan Rickenbacher lobt die Urner: Denn Lebensqualität basiere auf Freiwilligenarbeit.
Helen Busslinger-Simmen
Iwan Rickenbacher, in Uri gerät einiges in Bewegung. Wie deuten Sie die Signale?
Iwan Rickenbacher: Die neuen kulturellen Wege, die begangen werden, sind ein deutliches Zeichen dafür, dass viele Urnerinnen und Urner an ihre
Zukunft im Gotthardkanton glauben. In Uri ist man stolz darauf, die einheimische Kultur zu pflegen und weiterzuentwickeln. Die letzten kulturellen Ereignisse,
die ich im Kanton Uri besucht habe, waren die Tellspiele in Altdorf und die Freilichtaufführung «Suworow» in Andermatt. Grossartige Erlebnisse.
Aber der Verkehrsschlamassel scheint unüberwindbar?
Rickenbacher: Es gilt als Nächstes, die Chancen der Neat zu nutzen. Der kürzeste Weg von und nach Italien führt durch den Gotthard. Es gilt immer
wieder, Kompromisse zu finden: Zwischen den Bedürfnissen der einheimischen Bevölkerung nach einem intakten Lebensraum und den Erfordernissen
einer vernetzten und mobilen Welt. An Letzterem sind übrigens auch wir Innerschweizer beteiligt – das geht leicht vergessen.
Was beschäftigt Sie im Stiftungsrat der Schweizer Berghilfe?
Rickenbacher: Leider sind die Bergregionen in vielerlei Hinsicht benachteiligt. Die Produktionskosten sind höher, oft fehlt genügendes Eigenkapital
für Investitionen. Da springt die Schweizer Berghilfe ein. Sie unterstützt mit rund 25 Millionen Franken im Jahr die Bergbevölkerung und ermutigt sie,
die Zukunft aktiv anzugehen und die Arbeits- und Lebensverhältnisse zu verbessern. Die Projekte der Schweizer Berghilfe reichen von der
Hilfe in Katastrophensituationen über die Sanierung eines Stalls bis zur Ausbauhilfe für einen dörflichen Begegnungsraum oder die Schaffung
eines regionalen Therapiezentrums.
Kürzlich lobten Sie in einer Zeitung den Zusammenhalt der Urner. Was meinten Sie damit?
Rickenbacher: Gemäss einer Untersuchung – die aber schon einige Jahre zurückliegt – leisten gegen 40 Prozent der erwachsenen Urner
Bevölkerung Freiwilligenarbeit. Von der kirchlichen Jugendarbeit bis zur Spitex, von Sportvereinen bis zur Schadenwehr, von politischen Ämtern bis
zur Mitarbeit in Korporationen. Im Kanton Genf sind es nach der gleichen Erhebung nur 16 Prozent. Ein grosser Teil dieser Arbeit, vorab im familiären
Bereich bei der Pflege von Angehörigen, wird von Frauen geleistet. Ohne diesen Einsatz könnten wir uns unsere Lebensqualität nicht leisten.
Gibt es regelmässige bilaterale Kontakte zwischen Uri und Schwyz?
Rickenbacher: Die Beziehungen zwischen Uri und Schwyz waren schon enger. Behörden treffen sich im Rahmen der interkantonalen Regierungskonferenzen,
aber seltener bilateral. Eine positive Rolle spielen die vielen Innerschweizer Verbände, von der Schwingergemeinschaft bis zu musikalischen Vereinigungen,
die ihre regionalen Anlässe periodisch in den Kantonen der Urschweiz durchführen. Die Vereinskontakte stiften Freundschaften und ermöglichen den
Austausch von Ideen, die auch wieder in die Behörden fliessen. Ich würde mir wünschen, ausserhalb der «Neuen Urner Zeitung», in den andern
Ausgaben der «Neuen Luzerner Zeitung» mehr über Uri und seine Menschen zu erfahren.