Der bekannte Journalist Karl Lüönd hat Urner Wurzeln. Er weiss um sein kulturelles Erbe und kann sich gut an einen Nachmittag auf Heinrich Danioths
Knien erinnern.
Helen Busslinger-Simmen
Sie sind in Flüelen aufgewachsen. Lüönd ist aber kein typischer Urner Familienname wie Arnold oder Gisler. Sind Ihre Eltern hierher gezogen?
Karl Lüönd: Ja, mein Vater kam als Wanderarbeiter während des Zweiten Weltkriegs in den «Schächenwald». Er war also «ä Lachoonigä», einer, den
man hat kommen lassen. Wir sind nie «yysertänäinä» gewesen.
Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie von Sisikon gegen Flüelen und weiter fahren?
Lüönd: Mich faszinieren immer wieder diese Faltungen in den Axenfelsen - es sind direkte und auffallende Beweise für die Alpenbildung. In diesen
Felskurven spiegeln sich Millionen Jahre Erdgeschichte. Der heute vergessene Flüeler Maler Josef Kottmann, ein Weggefährte des Künstlers Heinrich
Danioth, hat sie immer wieder gemalt. Ob es so ein Bild noch irgendwo gibt?
Sie haben gemeinsam mit dem Urner Karl Iten «Das grosse Buch zum Gotthard» veröffentlicht. Was haben Sie dabei erlebt?
Lüönd: Eine äusserst erfreuliche Zusammenarbeit mit einem hoch professionellen und liebenswürdigen Kollegen, der ein ganz seltenes Talent hatte.
Er konnte gut Bilder machen, als Grafiker mit Bildern umgehen und erst noch exzellent schreiben. Und alles unter Zeitdruck.
In welchen Problemen steckt Ihrer Ansicht nach der Kanton Uri?
Lüönd: Die Kleinheit zwingt viele ehrgeizige und fähige Junge zum Weg- zug. Dieser «brain drain» hilft Uri sicher nicht.
Haben Sie schon in der Jugendzeit etwas von der Achse Süden-Norden gespürt?
Lüönd: Durchaus. Mein Elternhaus auf der Flüeler Allmend lag direkt an der Gotthardbahnstrecke und nahe bei einer Barriere. Pro Tag läutete und brauste
es bis zu 250 Mal. Gestört fühlten wir uns aber nur, wenn keine Züge kamen, etwa wenn am Gotthard Lawinen niedergegangen waren.
Welche Urner Persönlichkeit hat Sie in Ihrer Urner Zeit beeindruckt?
Lüönd: Als kleiner Bub habe ich Heinrich Danioth noch erlebt, mit dessen Kindern ich oft den Schulweg teilte. Einmal jasste er mit meinem Vater einen
Nachmittag lang in der Försterhütte auf den Eggbergen; ich durfte auf seinen Knien sitzen. Unvergesslich ist für mich seine Beerdigung: die grösste, die
es in Flüelen je gegeben hat. Und der damals übliche Gebetsbesuch bei der aufgebahrten Leiche in seinem schönen Atelier. Da wurde ihm gerade
die Totenmaske abgenommen. Respektvolle Erinnerungen habe ich auch an den Fotografen Richard Aschwanden, dem ich einmal einen Sommer lang
die schweren Koffer tragen durfte, als er Aufnahmen machte. Er hat für die Dokumentation der Urner Kultur unglaublich viel geleistet.
Sie haben den Zürcher Journalistenpreis erhalten und mehr als dreissig Sachbücher geschrieben. Worauf sind Sie stolz?
Lüönd: Dass ich nach wie vor genug zu tun habe, um in älteren Tagen nicht Golf spielen zu müssen.
Sie sind als passionierter Naturliebhaber auch Jäger. Jagen Sie im Urnerland?
Lüönd: Nein, ich habe im Tösstal die steilen Verhältnisse näher bei der Haustür. Aber als langjähriger Chefredaktor der Zeitschrift «Jagd und Natur» kenne
und schätze ich die Urner Jäger sehr. Sie machen eine hervorragende Öffentlichkeitsarbeit.
Sie haben zu verschiedenen Unternehmen Bücher verfasst. An welche Firma denken Sie besonders gern?
Lüönd: An alle, weil ich auch hinterher mit keiner einzigen Krach bekommen habe. Ich frage mich jetzt, ob ich etwa zu brav gewesen bin.