«Literatur in den Bergen ist anregend»
Franz Hohler äussert sich zu den kritischen Bemerkungen vom Wanderexperten Thomas Widmer,
- veröffentlicht im Tagesanzeiger vom 14. Juli 2014. Für Hohler ist das Projekt „Mit Poesie auf Berg- und Talfahrt“
eine schöne Idee.
Helen Busslinger-Simmen
Ende Juni hat der Luzerner Künstler Niklaus Lenherr auf dem Biel sein Projekt «Mit Poesie auf Berg- und Talfahrt»
gestartet. In 70 Kabinen von 33 Urner Seilbahnen hängen Gedichte von 90 Schweizer Autoren. Die Texte bleiben bis im
Herbst 2015 kleben. Im «Tages-Anzeiger» vom 14. Juli hat Thomas Widmer die Aktion massiv kritisiert
(siehe Neue UZ vom 16. Juli). Nun nimmt mit Franz Hohler einer der Gedichteschreiber Stellung:
Was meinen Sie zu Texten in den Urner Seilbahnen?
Franz Hohler: Eine schöne Idee! Man kann ein Gedicht mit in den Rucksack nehmen wie ein kleines Stück Proviant. Mehr als
80 Autorinnen und Autoren haben mitgemacht. Sie zeigen, dass man mit Worten reagieren kann auf eine Landschaft, eine
Situation oder eine Stimmung.
Was hat Sie persönlich bewogen, beim Projekt mitzumachen?
Hohler: Ich wurde angefragt, ob ich mein Gedicht «schnäll» für das Projekt zur Verfügung würde. Wandern ist ja das
Gegenteil von schnell, deshalb schien es mir passend.
Kann ein Text helfen, etwas Besonderes zu sehen?
Hohler: ... oder etwas Besonderes zu denken? Literatur in den Bergen ist anregend. Ein Gedicht kann einem eine Idee mit
auf den Weg geben. Vielleicht gibt es auch einen Wettbewerb zwischen dem Gedicht und der Landschaft. Wer ist stärker?
Bei Kunstprojekten in den Bergen ist meistens die Landschaft stärker. Mir gefällt es, wenn Gedichte an Orten auftauchen,
wo man sie nicht erwartet etwa in der Wiener U-Bahn, in der Stuttgarter Strassenbahn oder im Bahnhof Basel zwischen den
Kurznachrichten. In einer Seilbahn hab ich noch nie eins gesehen.
Die Seilbahn-Texte sind ein Versuch, und Uri macht mit. Freut Sie das?
Hohler: Es freut mich, dass die Urner Seilbahnen zusammen mit Uri Tourismus diesen Versuch wagen. Ich verstehe aber
durchaus, wenn ein Erzwanderer wie Thomas Widmer nicht die Sprache sucht, wenn er eine Seilbahngondel betritt. Doch er
kann ja ohne weiteres wegschauen auf die Berge hinter dem Gedicht.