Der ehemalige SBB-Chef Benedikt Weibel kennt die Verkehrssituation in Uri genau. Er sorgt sich um die Zukunft des Gotthardtunnels.
Helen Busslinger-Simmen
Der Bundesrat will eine zweite Röhre für den Gotthard-Strassentunnel bauen. Sie selbst befassen sich seit langem mit Bahn und Strassen in Uri.
Was meinen Sie zum Entscheid des Bundesrates?
Benedikt Weibel: Es fragt sich, ob diese Entscheidung tragfähig ist. Der Zeitplan wird immer enger: Er hängt vom spätestens möglichen Zeitplan für die
Sanierung des heutigen Strassentunnels ab, und den kenne ich nicht.
Welches ist die billigste Variante?
Weibel: Wahrscheinlich die Sanierung mit einem Bahnverlad. Das heisst aber nicht, dass es auch die beste Variante ist.
Was sagen Sie zum Vorschlag des Bundesrates, einen zweiten Strassentunnel zu bauen, aber die Tunnels nur einspurig zu befahren?
Weibel: Die Medien haben diesen Vorschlag ziemlich einhellig als Trick bezeichnet. Man kann sich das nur schwer vorstellen: Man fährt in einem grosszügig
breiten Tunnel, und vor dem Portal stauen sich Autos kilometerweit. Dem Druck, diese Tunnels zweispurig befahren zu lassen, könnte kaum standgehalten
werden. Deshalb müsste auch die Variante, einen zweiten Strassentunnel zu bauen und den heutigen nicht zu sanieren, geprüft werden. Genau das
machte übrigens die Rhätische Bahn mit ihrem Albulatunnel.
Braucht es eine Verfassungsänderung, wenn zwei Tunnels zweispurig betrieben werden?
Weibel: Ja.
Und wenn kein zweiter Tunnel gebaut und während der Sanierung der Strassenverkehr auf die Bahn verlagert würde: Lastwagen durch den neuen
Basistunnel, Autos durch den bestehenden Scheiteltunnel?
Weibel: Auch da stellt sich die Verfassungsfrage. Der Neat-Basistunnel wurde nicht für den Lokalverkehr gebaut. In der Verfassung steht klipp und klar,
dass der Lastwagenverkehr von Grenze zu Grenze verlagert werden muss.
Sie kennen die ganze Verkehrssituation. Wie sehen Sie Uris Zukunft?
Weibel: Die in der Verfassung vorgegebene Verlagerung kann nur gelingen, wenn der Schwerverkehr zum grossen Teil auf die Neat verlagert wird. Ob das der
Fall sein wird, hängt davon ab, wie dieser Verkehr in Italien abgenommen wird. Ich bin überzeugt, dass die Neat viel Personenverkehr anziehen wird, wie das
auch am Lötschberg passiert ist. Ich bin gedämpft optimistisch, dass sich die Verkehrssituation in Uri etwas entspannt.
Was wünschen Sie Uri?
Weibel: Ich wünsche dem Kanton vor allem, dass sich das Grossprojekt in Andermatt gut entwickelt. Damit würde Uri touristisch und wirtschaftlich einen
riesigen Schritt machen