Ist der Rütlischwur eine Fabel?
Hanni: Tell hat gar nie gelebt, den Rütlischwur gab es nicht. Franz: Ja dü seisch! Hanni: Das sagt der Historiker Thomas Maissen. Man soll die Tellgeschichte nicht immer wieder neu aufs Tapet bringen. Franz: Aber wir brauchen Geschichten. Auch die Bibel ist ein einziges Geschichten-Buch. Hanni: Es ist völlig unwichtig, ob sich alles so abgespielt hat wie beim Drama von Schiller. Es geht ja um Gemeinschaft und Zusammenhalt. Solche Beispiele brauchen wir. Franz: Dü seisch äs richtig. Bundesrat Alain Berset hat betont, Erzählungen und Mythen gehörten halt einfach zur Geschichte der Schweiz. Hanni: Aber der Professor Maissen sagt, nie, aber gar nie sei ein Bund auf dem Rütli geschlossen worden. Franz: Ja und? Der Text von Schiller ist keine Reportage, er hat eine Botschaft. Mich hat der Rütlischwur schon immer bewegt, das lasse ich mir nicht nehmen. Dass dabei Symbole eine Rolle spielen, ist mir schon bewusst. Hanni: Dü seisch äs. Vielleicht wollen die Superklugen uns Innerschweizer als „dumme Hirten“ darstellen, die immer noch naiv wie Kinder die Tellgeschichte als Tatsachenreport verstehen. Franz: Als Kinder haben wir sie in den Hinterhöfen nachgespielt. Die Tellgeschichte ist so raffiniert wie einfach. Hanni: Vielleicht sind Erzählungen näher bei der Wahrheit als alle Theorien. Und sie fahren ein! Franz: Der Literaturprofessor Peter von Matt schrieb, jede Nation habe erregende Geschichten, die man weiter erzähle. Man könne über Tell spotten, aber umbringen könne man ihn nicht. Hanni: Mir sagt die Tellgeschichte, man müsse gegen unmenschliche Situationen ankämpfen. Aber wenn möglich nicht allein, sondern mit andern zusammen. Franz: Uns kann es recht sein, wenn die Historiker weiter forschen und neue Erkenntnisse erhalten – das ist ihr Beruf. Und sie sollen das, was sie herausfinden, weiter vermitteln. Hanni: Wir können alte Traditionen mit Neuem verbinden. Wie es im Musikfestival „Alpentöne“ und in den modernen Adaptionen der Tellspiele geschieht.