Hans Leu, der in Altdorf aufgewachsen und hier Jungwachtführer war, wirkt heute erfolgreich als Theologe und Pädagoge in Namibia. Nachdem er 12
Jahre lang als Ausbildner gearbeitet und 45 Gemeinden und Gemeindeleiter betreut hat, ist er jetzt Direktor des Pastoralen Zentrums der katholischen
Kirche in Namibia. Schon immer steckte er voller Ideen, schon immer hatte er eine weit blickende Auffassung von Gott und der Welt.
Von Altdorf via Zürich nach Namibia
Hans Leu hat in Altdorf die Schulen bis zur Matura besucht und in Chur und Mailand Theologie studiert. In Zürich hat er das Studium der Psychologie und
Pädagogik abgeschlossen. Erfinderisch war er in Pastoralfragen. Er hat den Heimgruppenunterricht, Kaderkurse für Katecheten, Friedenskurse für Erwachsene,
das Friedensdorf im Flüeli/Ranft und nicht zuletzt die schweizerische Nachrichtenagentur initialisiert. Acht Jahre hat er in der Bundesleitung Blauring/Jungwacht
gewirkt und war Dozent für Jugendpastoral.
Im Jahre 1988 zog es ihn nach Namibia, er wurde vom Erzbischof der Diözese Windhoek erst zum Dekan und dann zum Leiter der Region Otshikuku berufen.
Seit dem Jahr 2000 steht er dem Pastoralen Zentrum vor. Seine Lieblingsprojekte sind die Bildungszentren für Strassenkinder, die „Art Performance Centers“.
Für das UW beantwortet er einige drängende Fragen.
UW: Was machst du in Namibia?
Hans Leu: Ich lebe und arbeite schon fast 16 Jahre hier, heute als Direktor des pastoralen Zentrums für die katholische Kirche in Namibia und als
Supervisor der Arts-Performanc-Centers.
UW: Welches sind die Schwerpunkte deiner Arbeit?
Hans Leu: Ich bin an leitender Stellung in verschiedenen Bereichen der Seelsorge tätig. Wichtig für mich: Die Durchmischung aller sozialen Schichten
und Altersgrenzen, die grenzübergreifende Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Unsere Aktivitäten sind eingebunden in die einheimische
Kultur, alle Beteiligten müssen Verantwortung tragen.
UW: Was fasziniert dich, was hält dich in Namibia?
Hans Leu: Wenn ich das wüsste! Die Vielfalt, die Fremdheit, das ganz Andere, die ständige Unsicherheit, verstanden zu werden... In einer so fremden Kultur
herum zu schwimmen und herzlich aufgenommen zu werden.
UW: Bist du ein Missionar im herkömmlichen Sinn?
Hans Leu: Jeder ist herkömmlich. Ich komme von den Bergen und bin in der Wüste gestrandet. Die Welt hier ist so anders. Um diese Welt zu verstehen,
habe ich mich auf Fragen spezialisiert. Auf meine eigenartigen Fragen suchen wir im Bildungsprozess nach Antworten und entscheiden uns für einen Weg,
für eine Aufgabe. Wir klären ab und auf. Die Leute spüren natürlich, dass ich eine sehr fortschrittliche Auffassung von Gott und der Welt vertrete.
UW: Bestimmt gehören ungewöhnliche Begegnungen zum Alltag.
Hans Leu: Von Tausenden von Begegnungen diese: Ich kniete im Halbdunkel in einer Strohhütte und gab einer aidskranken Frau die heilige Ölung.
Wir sangen. Da sagte die junge, schon ganz entkräftete Frau zu mir: „Why don’t you come with me?“ (Warum kommst du nicht mit mir in ein anderes Leben?)
UW: Welche Probleme beschäftigen dich und deine Teams am meisten?
Hans Leu: Die Leute hier haben sich dem Leben in der Wüste angepasst und haben eine hoch entwickelte Wüstenkultur. Aber nun bricht hier die
europäische Zivilisation ein und aus. Geldwirtschaft, Television, Handy, Schule, Mode, Arbeitslosigkeit, Aids... In dieser rastanen Entwicklung wird vieles
schwierig. Viele verstehen die Welt nicht mehr, kommen nicht mit.
Religion und Kirche erweisen sich als unfähig, in dieser Situation heilend zu wirken. Von 1964 bis 1990 hat die Kirche für Unabhängigkeit gebetet.
Nun hat Gott sie erhört – was nun? Wenn Religion in Betteln besteht, dann ist die Erhörung der Bitte nach Unabhängigkeit das Ende der Religion.
Die europäische und globale Zivilisation frisst den Rest der Wüstenbewohner auf. Und ich muss mit ansehen, dass die Kirche die Leute im
Zivilisationsprozess nicht stärken und vom Zerfall nicht retten kann. Das Feuer des Vatikanischen Konzils ist erloschen.
UW: Wie ist dein Verhältnis zur Schweiz? Und zum Heimatkanton Uri?
Ich kann in der Schweiz wunderbare Ferien machen, aber da wieder leben? Mich dünkt, die Schweiz sei ein modernes, enges, rechtes Museum, für
mich aber zu teuer. Hier hält mich die sanfte, freundliche Kultur der Menschen. Und meine grossartigen, interessanten Projekte.
Uri – für mich sind das 30'000 Menschen fast im Paradies, wo Wasser fliesst und die Wiesen grünen, wo Handelt den Gotthard besiegt und die
Leute einander „Gruezi“ sagen. Den Wasserfall im Schächental könnte ich öfters als Dusche in der Wüste geniessen.
UW: Natur und Kultur in Namibia müssen eindrücklich sein.
Hans Leu: Vieles ist ein Wunder. Dass es im Frühling (bei uns Oktober), nach 6 Monaten ohne Regen zum Blühen kommt, und dann wie! Dass das Meer nach
der Wüste lechzt – ein Wunder. Das Klima ist rau und sanft, Hitze und Kälte – ein Wechselbad. Die Menschen: unergründlich-fremd, naturnah, zivilisationsfern.
UW: Was heisst Glück in Namibia?
Hans Leu: Wenn du überlebst, hast du Glück gehabt.
Hans Leu freut sich über Echos aus dem Urnerland. Seine Adresse: Hans Leu, p.o.box 73, Otjiwarongo, Namibia. E-Mail: rcpcleu@iafrica.com.na