Exil Urnerinnen und Urner

Folgende Porträts erschienen
in der Neuen Urner Zeitung
bzw. im Urner Wochenblatt (*)
Diego Balli

Der magische Strich des Urners Diego Balli

Der Altdorfer Diego Balli, der heute in Stans wohnt, ist ein gefragter Comiczeichner und Illustrator. Die Neue Urner Zeitung schaute ihm über die Schulter.

Helen Busslinger-Simmen
Bei einem Besuch in Diego Ballis Atelier in Hergiswil staunen unvoreingnommene Besucher. Denn unter seinen geschickten Händen entstehen Menschen, Tiere, Maschinen, Landschaften. Es sieht aus wie Zauberei, wie Magie sogar: Auf Diego Ballis Zeichnungsblatt tummeln sich Kühe und Hühner, Schulklassen samt dem Lehrer, Punks, alte Leute, Arbeiter, Bänkler. Der Urner Comiczeichner entwirft, skizziert. Man sieht es: Er ist in seinem Element. „Das Handwerk habe ich während meiner Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Basel gelernt“, stellt er fest. Für ihn sind seine witzigen Zeichnungen mit den überraschenden Pointen Alltag.

Hintergründiger Humor

Viele Comic-Strips leben vom Humor; doch Diego Ballis Humor hat nichts mit lautem Gelächter und Schenkelklopfen zu tun. Sein Witz greift tiefer, enthüllt, spitzt eine Sachlage zu, überspringt Grenzen. Wer die wenigen Comics, die in Diego Ballis Atelier an der Wand hängen, anschaut, amüsiert sich. Offensichtlich ist Ballis versteckter Spott gefragt. „Heute kann ich von meinem Beruf als freischaffender Illustrator und Comiczeichner gut leben“, bemerkt der Urner Künstler, „ich erhalte Aufträge von Werbebüros, Gemeinden, politischen Verantwortlichen, Firmen, Zeitschriften.“

„Früher hatte ich eine Vorliebe für überspitzten, bizarren, manchmal schwarzen Humor, heute sind meine Comics immer auch irgendwie liebevoll“, stellt Diego Balli fest. Auf einem der Zeichnungsblätter taucht immer wieder die Karikatur eines Lehrers auf, „Das ist Lehrer Lips. In den Basler Schulblättern heisst er „Lehrer Beppel“, mein allererster und längster Dauerauftrag “, freut sich Diego Balli. Seine Schulgeschichten, in denen er Schulfragen auf die Schippe nimmt und seine Erfahrungen im Lehrerberuf verarbeitet, sind nachgerade bekannt. Im alternativen Globibuch „Strapazin“ hat er auf originelle Art seine Globigeschichte gezeichnet.

In Windeseile

Diego Balli zeichnet schnell, in Windeseile entstehen Menschen und Maschinen, jedes Detail ist am richtigen Platz. Er entwirft auf dem Leuchtpult, paust die Entwürfe durch, dann wird die Zeichnung in den Computer gescannt und koloriert. An einer Comicseite arbeitet er gut und gern acht Stunden. Oft begibt sich Diego Balli auf die Ebene des Absurden, überhöht eine Sache oder stellt sie in einen andern Zusammenhang. Das wirkt überraschend.

Selbstkritisch sagt Diego Balli: „Ich bin kein besonders lustiger Mensch.“ Aber er sieht hinter die Dinge. Als kleiner Bub war er ein leidenschaftlicher Zeichner, der zum Gaudi seiner Klassenkameraden die Lehrer karikierte. Mit elf Jahren hat er mit einem Kollegen seinen ersten Comic gezeichnet; dass die beiden mehr als ein Jahr dafür gebraucht haben, störte sie nicht. Dann wurde er Primarlehrer. „Hier habe ich das ganze Spektrum von Methodik und Didaktik bis zum Pädagogischen gelernt, das kommt mir zugute“, sagt Diego Balli. Aber der Lehrerberuf sei für ihn noch nicht alles gewesen. Deshalb hat er an der Kunstgewerbeschule Basel das Diplom eines Zeichnungslehrers erworben.

Vom Comicfieber gepackt

„Als ich für die Abschlussarbeit einen anspruchsvollen Comic für Erwachsene analysierte, hat mich endgültig das Comicfieber gepackt“, stellt er fest und fügt bei, an Comic-Wettbewerben und Festivals sei er erstmals mit seinen Comics an die Oeffentlichkeit gelangt und habe Berufskollegen kennen gelernt. Nach und nach bekam er da und dort einen Auftrag. Bis zum heutigen Level war es ein langer Weg. Heute erstellt er Flyers, Plakate, Werbeillustrationen, gestaltet CDs und Kassettenhüllen, illustriert Homepages und hat einen festen Platz in verschiedenen Magazinen. Er war er Mitbegründer der IG-Comic Schweiz. Kürzlich hat er - ein Jugendtraum – seinen ersten Trickfilm fertiggestellt.

Damit der Bezug zum angestammmten Lehrerberuf nicht verloren geht, hält er Kurse und Vorträge in der ganzen Schweiz, an verschiedenen Veranstaltungen. Etwa am Comicfestival „Fumetto“ in Luzern, wo im kommenden Mai unter seiner Leitung Comicworkshops für Kinder durchgeführt werden.

Die Teufelsbrücke und andere Geschichten

„Die freien, kreativen Arbeiten musste ich in den letzten Jahren wegen der vielen Aufträge zurückstellen“, bemerkt Diego Balli. Er zeigt das Buch über die Gotthardstrasse mit dem Titel „Man kann diese ganze Strasse nicht ohne Verwunderung reisen“; den schmalen Band hat er auf spannende, junge Art illustriert. Diego Balli: „Nicht alles gelingt. Die Geschichte über die Teufelsbrücke habe ich aufs Eis gelegt, obwohl ich bereits einen Verlag gefunden hatte – die Sponsorensuche war extrem mühsam.“

Noch in der Arbeit ist ein Kinderbuch, das er mit dem Journalisten Christoph Zurfluh zusammen plant. Sein Wunsch wäre es, nicht nur Auftragsarbeiten anzunehmen, sondern wieder vermehrt seine Kreativität zu entfalten. Um von seinem Beruf leben zu können, muss er auf vielen Hochzeiten tanzen. Umso mehr, als er zwei Tage als Hausmann tätig ist und seine Kinder, Luca und Lynn, betreut. Musik machen in Bands, Jazz und Pop, das kommt bei der Vielzahl von Aufgaben im Moment zu kurz.