Was aus ihnen geworden ist

Folgende Porträts erschienen
im Limmattaler Tagblatt:
Patrick Lier 1 Patrick Lier 2

Freudenfest für einen Dietiker Jungpriester

Dietikon Primizfeier in der Kirche St. Josef

Katholisch Dietikon feierte die Primiz des Dietikers Patrick Lier, der am Vortag in Schwyz von Bischof Amédée Grab zum Priester geweiht worden war.

Helen Busslinger-Simmen
Immer wieder kamen während der Primizfeier in der Kirche und beim anschliessenden Fest die verschiedenen Berufe, die der Neupriester ausgeübt hatte, zur Sprache. Bevor sich Patrick Lier zum Priester ausbilden liess, war er Koch auf Luxusdampfern und in den besten Hotels der Schweiz, er machte Hilfseinsätze bei Sterbenden in Kalkutta und war Krankenpfleger in Lourdes. Das Theologiestudium absolvierte Lier im Seminar Heiligenkreuz bei Wien und in Chur. In Dietikon ist er seit Kindheit verwurzelt, er war Mitglied der Stadtjugendmusik und machte im früheren Hotel „Krone“ die Kochlehre.

Auf Menschen zugehen

Pfarrer Franz Brei aus der Steiermark, der die Festpredigt hielt, betonte, dass die Verantwortlichen der Kirche nicht hinter Kirchenbänken bleiben dürfen, sondern Kirche und Christentum zu den Menschen bringen müssen. Er wies darauf hin, dass das Christentum eine menschenfreundliche Botschaft sei. Gerade deshalb habe Patrick Lier dank seiner fröhlichen und zupackenden Art eine Chance, die Menschen als Priester erreichen zu können. Beim anschliessenden Fest im Pfarreisaal herrschte eine gelöste Stimmung. Vom Stadtrat Dietikon überbrachte Heinz Illi Grüsse und Geschenke; und er sagte, der Stadtrat sei stolz darauf, dass ein Dietiker Bürger den heute ungewöhnlichen Beruf eines Priesters wähle.

Andere Werte als Konsumspass!

Patrick Lier macht sich Gedanken zum Christentum, zum Priestermangel, zum Priestersein, zur heutigen Jugend. Das LT fragte nach.

LT: Was bedeuten Ihnen die Primiz in Dietikon?
Patrick Lier: Ich bin an der gleichen Strasse wie die St. Josefkirche aufgewachsen. Als Kind habe ich nicht dieser Kirchgemeinde angehört, trotzdem ging ich oft in die Josefskirche und zündete eine Kerze an. Ich hatte zwar keine Ahnung, wozu und warum man das tut, ich wusste nicht einmal, dass ich die Kerze hätte bezahlen müssen. Aber der Kirchenraum und die Stille wirkten mystisch und faszinierend auf mich. Dass ich nun gerade hier, wo ich aufgewachsen bin, Primiz feiern kann, ist echt grossartig. Im Leben eines Priesters ist die erste Messe, die er zelebrieren darf, wohl etwas vom Grössten.

LT: Woran mag es liegen, dass sich so wenig junge Männer weihen lassen?
Patrick Lier: Wir müssen uns fragen, was bloss mit unserer Gesellschaft los ist, dass die Kirche oder überhaupt der christliche Glauben seinen Reiz verloren hat. Wenn der Glaube nicht in der Familie gelebt und weitergegeben wird, erwägen offensichtlich immer weniger Menschen einen Ordenseintritt oder ein Priesteramt. Von nichts kommt nichts.

LT: Vielleicht schrecken viele vor einem umfassenden Engagement zurück.
Patrick Lier: Ja, die Fragen „Was bringt es mir? Was habe ich davon?“ werden immer wichtiger. Man will sich nicht binden, sondern sein eigenes Leben leben und immer alle Optionen und Türen offen halten. Aber fürs Priesteramt muss man sich entscheiden. Vielleicht sind deswegen so viele Wohlfühl-Religonen auf dem Markt, da geht es darum, sich so wohl wie möglich zu fühlen. Aber die Forderungen, die das Christentum stellt, verlangen einem etwas ab.

LT: Was läuft falsch, dass Kinder und Jugendliche den Bezug zur Kirche verloren haben?
Patrick Lier: Man zeigt den jungen Menschen alles, was die Welt zu bieten hat und lässt sie damit allein: „Tu, was dir Spass macht, auch wenn es gefährlich ist.“ Das kann einen kaputt machen. Und diese Verwöhnung fängt früh an. Man sagt es oder lebt es vor: Das Leben hat nur dann einen Sinn, wenn wir Spass, und zwar viel Spass haben.
Mir tut eine Gesellschaft leid, die den Schatz des Christentums gar nicht mehr sehen und entdecken will. Beim gelebten Christentum müssten wir anfangen.

LT: Sie sind in ihrem früheren Beruf auf Luxusschiffen und in Luxushotels vielen begegnet, die in grossem Reichtum leben.
Patrick Lier: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch verwöhnte Menschen sehr wohl wissen, was gut und was schlecht ist. Sie wissen schon, dass Liebe kein Konsumgut ist und Respekt vor dem Leben einen Sinn hat. Wenn man mit jenen, die im Luxus leben, ins Gespräch kommt, zeigen sie Respekt vor dem Glauben an einen Gott, von dem man sagt, er sei die Liebe und er liebe jeden Menschen. Leider zählt trotz diesen Erkenntnissen dann doch wieder bloss Leistung und Erfolg und nochmals Erfolg.

LT: Wie können Jugendliche zum Christentum geführt werden?
Patrick Lier: Es ist nicht notwendig, dass die Pfarreien in der Jugendpastoral Handstände und Purzelbäume machen. Wir müssen für die Jugendlichen Räume und Möglichkeiten schaffen, sich über den Glauben auszutauschen. Dazu braucht es keine Disco-Gottesdienste -das kann die Unterhaltungsindustrie besser. Das Christentum hat eine andere Botschaft. Sich damit auseinander zu setzen, das lohnt sich.