In den fünfziger und sechziger Jahren waren die Jugendvereine jener Zeitvertreib, der von Eltern und Lehrern befürwortet wurde.
Es gab Jungwacht und Pfadi für die Buben, Blauring und Pfadi für die Mädchen. Die Jungwächter hatten grüne Hemden, die Blauringmädchen
blaue Blusen, die Pfadis trugen braune Hemden und Hüte. Weil die Marianisten nicht nur Lehrer, sondern auch Jungwachtführer waren,
hatte die Jungwacht Zulauf. Zu den besten Zeiten war wohl ein Drittel der Klassen in der Jungwacht, das ergab eine Schar von Hunderten
von Buben mit grünen Hemden, die bei Grossanlässen auf dem Kirchplatz „Haarus“ sangen.
Die Pfadi war für die meisten unerreichbar, es hiess, die Uniform sei teuer, man müsse Geld springen lassen. Aber wir bewunderten die
Pfadimädchen, die uns stark und modern vorkamen. Ihre Auftritte waren eindrücklich: Die Pfadimädchenhände spielten mit Hut und Krawatte,
unter dem Hut schauten die Mädchen keck in die Welt - wie raffiniert das alles wirkte! Ohne Frage, wir waren neidisch, und um uns
abzureagieren, erfanden wir Spottlieder.
Der Blauring bot Gelegenheiten zum Herumstreifen und Spielen, die man nicht ungenützt vorbeigehen lassen durfte. An den Gruppennachmittagen
war ein besinnlicher Teil vorgesehen, dieses Element fiel stets ins Wasser, und wir gingen wir schnurstracks zum Spielteil über und trieben uns,
obwohl der Wald in unseren Augen eigentlich der Pfadi gehörte, im nahen Wald herum, machten Feuer, kletterten auf Holzstämme und vergnügten
uns mit nichts.
Mädchen und Buben bewegten sich in den vorgegebenen Kreisen, ohne einander näher zu kommen, die Geschlechtertrennung wurde strikt
eingehalten. Da wir Mädchen nichts über die Bubenvereine wussten, hatten wir lebhafte Fantasien. Warum sangen die
Buben „In eine neue Zeit!“? Später, als ich meinen Sohn und meine Tochter in der Pfadigruppe beobachten konnte, erweiterte ich endlich mein
Wissen. Die Buben waren darauf aus, Kräfte zu messen, bewegten sich in Hierarchien, die sie oft wieder umstürzten und bestanden Mutproben,
den Pfadimädchen bedeutete Zusammenhalt mehr als Kampf.
Dass Mädchen und Buben ihre eigene Kultur aufbauen, hat sich bewährt, doch die damalige rigorose Aufspaltung in Buben- und Mädchenwelten
wirkte arg verklemmt. Noch waren die 68-Aufbrüche weit entfernt. Uns Mädchen hat interessiert, ob wir bei den Buben etwas abgucken könnten,
wir hätten gern eine unausgesprochene Regel ein wenig angekratzt, aber nur das und nicht mehr. Mädchen-Buben-Freundschaften waren
weit ausserhalb des Denkvermögens. Das sechste Gebot, das wir nie verstanden hatten, geisterte in den Köpfen herum, dazu kam die Furcht vor
Spott.
Da versammelten sich etwa an einem gemeinsamen Spieltag die Blauringmädchen auf der einen Seite, die Jungwächter auf der andern,
kein Weg führte herüber und hinüber. Ein einziges Mal diskutierte ein Jungwachtführer mit uns Blauringlern eine Theateraufführung, tatsächlich
ging er später in die Mission nach Afrika, was – nach dieser einmaligen Mutprobe -niemand verwunderte.