Ein Erzähler, der spielend Grenzen überschreitet
Dietikon Lesung mit Hugo Lötscher im Rahmen von „Kultur in Dietikon“
Die Einleitung zur Lesung gestaltete Agnes Matt, Leiterin der Stadtbibliothek, kurz. Sie konnte sie damit rechnen, eine
Fangemeinde vor sich zu haben. Hugo Lötscher unterhielt seine Gäste mit Lesungen und Kommentaren aus seinem Gesamtwerk.
Helen Busslinger-Simmen
„Welch ein Sprachwitz! Welche Wortgewalt!“ –„Am liebsten hätte ich Lötschers Lesung mitgeschrieben und schwarz auf weiss vor mir gehabt!“ –
„Lötschers Behäbigkeit täuscht, er ist ein Mensch voller Lebenslust.“– „Auf diese Weise möchte ich auch alt werden!“ Solche Ausrufe waren nach der
Lesung zu hören, als man Bücher signieren liess und Eindrücke austauschte. Im Gemeinderatssaal wurde allen klar: Nicht zu Unrecht wird Lötscher
Kosmopolit und Weltmann unter den Schweizer Schriftstellern genannt.
Bücher mit Kultstatus
„Ich weiss noch genau, wann und warum ich geplant habe, ein Buch zu schreiben“, sagte Lötscher und berichtete von der Entstehung einiger seiner Bücher.
Dass er nicht nur Schriftsteller, sondern immer auch Reporter ist, zeigten seine Hinweise zum ersten Rom „Abwässer“ vom Jahr 1963: Als Abwasserinspektor
schrieb er über die Kanalisation der Stadt Zürich, über das Verbotene Chaotische im Untergrund und machte deutlich, dass wir in der Produktion von Abfall alle
gleich sind.
Dass er früh begann, die ganze Welt zu erkunden, zeigten seine Kommentare zum Buch „Wunderwelt – Eine brasilianische Begegnung“, das er im Jahr 1979
schrieb. Bei einer Beerdigung ist er auf den allzu frühen Tod der kleinen Fatima aufmerksam geworden: „Ich wollte für das Kind ein Requiem schreiben und
dabei die Perspektive wechseln. Mit den Augen eines Kindes die Welt sehen.“ - Kurz und knapp kommentierte Lötscher auch andere Bücher aus seinem
Gesamtwerk, etwa das Kultbuch „Der Waschküchenschlüssel“, das von liebvoll-ironischen Bemerkungen zur Schweiz strotzt.
Grenzgänger zwischen den Welten „Ich liebe es, Perspektiven und Schauplätze zu wechseln“, betonte Lötscher. Zu hören, wie er unsere Welt mal von oben,
dann von unten, von mittendrin und rechts und links anschaut und kommentiert, war ein Erlebnis, dem man sich im Gemeinderatssaal nicht entziehen konnte.
Am Schluss stellte Lötscher Fragmente aus seinem neuen Buch, das gerade im Entstehen ist, vor: „Ich schreibe über unsern Umgang mit der Globalisierung,
über eine Welt, in der Kulturen durcheinander wirbeln, in dem wir durch das Internet und die Reisemöglichkeiten in der ganzen Welt zuhause sein können.“
Neben den klugen und progressiven Bemerkungen zum Zeitgeschehen auch noch Lötschers Humor zu erleben, hatte eine eigene Faszination. Selbst über
sein eigenes Alter von 77 Jahren mokierte er sich: „Wenn ich eine Anfrage erhalte, sage ich immer: Ich kann nichts mehr versprechen.“