Im Limmattal getroffen

Folgende Porträts sind im
Limmattaler Tagblatt erschienen:
Rolf Lappert

Wenn ein Verlierer sein Glück sucht

Urdorf Lesung mit dem Schriftsteller Rolf Lappert

Der Schweizer Schriftsteller Rolf Lappert, der den Schweizer Buchpreis 2008 erhalten hat, zog bei seiner Lesung alle in den Bann. Trotz oder wegen der stets anwesenden dezenten Lebensmelancholie des Buches.

Helen Busslinger-Simmen
Dass das neue Buch von Rolf Lappert „Nach Hause schwimmen“ ein Bestseller geworden ist, zeigte der Aufmarsch von rund neunzig Gästen an der Lesung in Urdorf. Der Erfolg war auch dem Zusammenspannen zweier Institutionen zu verdanken. Ruth Theocharides von der Gemeindebibliothek Urdorf und Mengia Cincera von der Buchhandlung Scriptum Dietikon haben die Lesung zusammen organisiert.

Rolf Lappert zeigte auf, wie er das Buch aufgebaut hat. Zwei Erzählstränge machen die Geschichte durch-sichtig: Nach einem „Ich-Kapitel“, in dem man den innersten Gedanken des Protagonisten Wilbur begegnet, folgt jeweils ein sachliches Kapitel, das die Erzählung vorantreibt.

Glücksmomente eines Verlierers Lappert sagte an der Lesung, das Buch sei ein tieftrauriges Buch, und deshalb habe er dem Schluss einen Hoffnungsschimmer verliehen. Er las denn auch die eher heiteren Passagen vor. Etwa die Freundschaft von Wilbur mit dem Nachbarsjungen Conor. Sie wuchs aus einer bitteren Feindschaft und bezog daraus ihre Tiefe. Die beiden brauchten keine Worte, um einander zu verstehen.

Der Autor erzählte von Wilburs grosser Bewunderung für den Schauspieler Bruce Willis. Gern wäre er so gewesen wie der Held seiner Träume. Stark, schön, erfolgreich, von allen bewundert. Weil er aber klein von Gestalt war, wurde er nicht ernst genommen, gehänselt und ausgelacht. Erfolge konnte er nur in seinen Träumen ausleben.

Ganz unten

Lappert hat die Fähigkeit, Nebenfiguren lebendig werden und ihr Schicksal organisch in die Geschichte einfliessen zu lassen. Er las die Geschichte vom Cellolehrer, der Wilbur eine Zeitlang unerrichtete. Der Cellist ging wegen des plötzlichen Todes seines Sohnes fast zugrunde, jedenfalls schloss er mit seinem Leben ab. Bei einem Besuch auf dem Friedhof half ihm eine winzige Episode mit einer Eidechse, wieder auf die Beine zu kommen, wieder Cello zu spielen, als Lehrer zu wirken und seine Trauer zu verarbeiten.

Der Schriftsteller las zum Schluss, wie Wilbur auf seinen vielen Umwegen in einem „House for Men“ landete. Solche „Hotels“ gab es früher in England, da konnten Männer, die auf der Schattenseite des Lebens waren, ein kümmerliches Leben fristen. Wilbur war der unterste Diener, er hatte das zu tun, was niemand tun wollte. Ohne Klagen erledigte er seine Arbeit, beim Zuhören gewann man den Eindruck, er habe seine seltsamen Gäste sogar lieb gewonnnen. Die Beschreibung einer Beerdigung eines Hotelgastes war eine eigene, kraftvoll zärtliche Geschichte, nicht ohne versteckten Humor.

Weltreisender und Sprachkünstler

In der Fragestunde merkte man, wie Lappert sozusagen in der ganzen Welt herum gekommen ist, heute lebt er in Irland. Eine Zwischenstation war sein Einsatz als Drehbuchautor beim Schweizer Fernsehen, wo er Drehbücher für Sitcoms schrieb. „Eine gute Erfahrung“, sagte er, „aber diese Arbeit hat eigene Gesetze. Man muss die Sprache (zu) sehr vereinfachen.“ Dass Lappert als Sprachverliebter lieber Bücher schreibt, glaubte man ihm gern, das nächste Buch hat er bereits in Angriff genommen.