Wo die Liebe hinfällt

Folgende Porträts sind im
Limmattaler Tagblatt erschienen:
Am Weininger Dorffest fanden sie zueinander

Auf dem Weinger Dorffest kamen sie einander näher

Ruth und Hanspeter Haug fanden an einem Weininger Dorffest zueinander

Dass nicht nur der Bauernhof, sondern auch das Dorf im Familienleben weiterhin eine grosse Rolle spielen würde, konnten Ruth und Hanspeter in jungen Jahren nicht ahnen.

Helen Busslinger-Simmen

Sicht von Ruth Haug

Schon als Kind hörte sie im Dorf über „Hanspi“ reden, und nur Gutes; ihre Schwester ging mit ihm zur Schule. Eines Tages brauchte sie als Leiterin der Mädchen-Jugiriege einen Bauern mit Traktor, sie bat ihn um Mithilfe und dankte ihm für seine Dienste, damals genügten Kaffee und Pfeifetabak. Das Dorfleben war unkompliziert, die jungen Leute trafen sich in den Turn- und Sportvereinen. Nach einem Dorffest begleitete er sie heim und schob ihr gut funktionierendes Töffli, - eine ernst zu nehmende Annäherung. Doch sie war gerade daran, eine komplizierte Bekanntschaft aufzulösen. So liess sie sich Zeit.

Nie hätte sie gedacht, dass sie einmal Bäuerin auf einem Hof sein und Wein anbauen und keltern würde, machte sie doch die kaufmännische Lehre und war Hotelsekretärin in Zürich. Hanspeter faszinierte sie: Er war sportlich, Sport hat ihr schon immer viel bedeutet, und er hatte einen hellen Kopf. Aber zuerst wollte sie ins Ausland und zog für ein halbes Jahr nach London. Es flogen Briefe hin und her, die sie begeistert „verschlang“, Hanspis Schreibtalent machte Eindruck. Schliesslich besuchte er sie in England, sie „gingen miteinander“, wie es im Dorf hiess.

Die Hochzeit fand fast wie zu Gotthelfs Zeiten statt, zum Teil mit Pferd und Wagen, wie es sich für ein Weinbauern-Paar gehört. Am Abend wurde ein alter Brauch wieder aufgenommen: Frauen wuschen Männern die Füsse, diese zerstampften Trauben zum Saft, der Traubensaft wurde ausgeschenkt.

Es zeigte sich, dass sie aus dem gleichen Holz geschnitzt war wie er: An vielem interessiert, kritisch. Hitzige Gespräche war sie gewohnt, in ihrer Familie gehörten ehrenamtliche Tätigkeiten in der Politik zum Alltag. Im Handumdrehen lernte sie Reben pflegen und Trauben keltern. Seit sechs Jahren organisiert sie für Familien, Vereine und Festfreudige einen Apéro auf dem Bauernhof.

Seit zehn Jahren ist sie Schulpflegerin für die Oberstufe der Kreisgemeinde Weiningen. Die eigene Weiterbildung wurde nicht vernachlässigt, aus der Sekretärin wurde eine eidg. dipl. Bäuerin; auch die drei erwachsenen Kinder bilden sich weiter. Arbeit auf dem Hof gibt es in Hülle und Fülle, das Dorf bleibt Lebensmittelpunkt. „Das heisst ja nicht, dass wir nicht über den Kirchturm hinausblicken“, sagt sie.

Sicht von Hanspeter Haug

Früher hatte er eines im Kopf: Sport. Als junger Landwirt und Weinbauer war er aktiver Turner und Schwinger. Er wollte im Sport etwas erreichen, seiner Meinung nach blieb noch genug Zeit, eine Familie zu gründen. Aber als er sie kennen lernte, wuchs sein Interesse an diesem sportlichen jungen Mädchen. Nach einem Turnerchränzli begleitete er sie nach Hause, ihr fahrtüchtiges Töffli schiebend. Das sagte eigentlich alles.

Als er sie in England besuchte, war er noch ein Greenhorn ohne Englischkenntnisse. Sie riet ihm, er solle per Taxi zu ihrer Au-pair-Stelle fahren. Als er eine Kolonne schwarzer Autos sah, hielt er eines an, er nahm an, das seien Londoner Taxis. Es war eine Beerdigung. Als er später lieber bei ihr zuhause die Nacht verbrachte, legte er den Eltern einen Zettel hin mit Ruths Telefonnummer und der Kurzbotschaft: „Bei Kalbernkühen und Feuerbränden hier anrufen.“ Betretenes Schweigen am Frühstückstisch. Der Vater blieb stumm, die Mutter sagte: „So etwas hätte dein Vater nie getan.“ Er gab zur Antwort: „Und du?“ Die Mutter lachte, damit war der Haufrieden wieder hergestellt. Sein Grossvater fragte ihn einmal: „Ist Ruth Eggenberber die Richtige?“ Als er bejahte, war es in Ordnung; Toleranz war in der Familie kein leeres Wort.

Engagement für das eigene Dorf war bei seiner Familie gang und gäbe, der Grossvater war lange Gemeindepräsident, sein Vater Schulpräsident. Er wurde Gemeinderat und Kantonsrat und sagt: „Ohne die Mithilfe meiner Frau und meines ältesten Sohnes bei Viehzucht und im Weinbau ginge es nicht.“ Darüber ist er froh, denn er schätzt es, Neues zu erfahren, viel zu lernen, anderen Menschen und Meinungen zu begegnen.

Viel Einsatz und Sachverstand fordert nach wie vor der Rebbau; wer von den Haugweinen getrunken hat, weiss, dass es sich lohnt. „Meine Frau hat von Anfang an mitgearbeitet, auch die Kinder mussten helfen, auch wenn es ihnen nicht immer passte. Meiner Ansicht nach ist dies eine Grundlage fürs Leben“, sagt er, der für den Bauernstand kämpft, wenn es sein muss. Wenn in Zeitungen wieder einmal über Bauern gespottet wird, weiss er sich zu wehren und nimmt mit pointierten und witzigen Voten Stellung.

Ruth und Hanspeter Haug-Eggenberger sind in Weiningen aufgewachsen, betreiben Landwirtschaft und Weinbau, sind seit 28 Jahren verheiratet und haben drei erwachsene Kinder.