Wo die Liebe hinfällt

Folgende Porträts sind im
Limmattaler Tagblatt erschienen:
Sologesang in der Waldkapelle

Sologesang in der Waldkapelle

Liebesgeschichte

Helen Busslinger-Simmen

Wir waren beide schüchtern. Obwohl schon von Anfang an gegenseitige Sympathie spürbar war, wagte keines den ersten Schritt. Regelmässig trafen wir uns in unserem Kollegenkreis und wagten auch mal einen Ausgang zu zweit. Mehr geschah nicht. Sie nahm all ihren Mut zusammen und sagte ihrer Freundin, dass an einem bestimmten Abend „etwas geschehe“, etwas Besonderes. Ehrenwort. Als er im Ausgang allein an eine Wand lehnte, umarmte sie ihn. Im Nachhinein gibt sie zu, sie wäre bitter enttäuscht gewesen, wenn er die Umarmung nicht erwidert hätte. Aber ihr Mut lohnte sich, es ging alles gut, ihre Zuneigung wurde erwidert, das gemeinsame Leben begann.

Bei der Planung des Hochzeitsfestes konnten wir unsere Ideen verwirklichen. Wir heirateten an einem romantischen Ort, mitten in der Natur, mit einem Spaziergang der Gäste durch den Wald. Die Hochzeitsfeier fand in einer Waldkapelle statt, und hier zeigte sie zum zweiten Mal, wie entschlossen, mutig und unkonventionell sie sein kann. Sie hat nämlich eine schöne Stimme und singt gern, und nach Abmachung mit dem Pfarrer sang sie ganz allein das bekannte Lied „Ewigi Liäbi“. In der Kirche waren Bräutigam und Gäste überrascht und gerührt. Sie musste sich darauf konzentrieren, nicht wie die andern in Tränen auszubrechen.

Thomas nahm den Namen von Nadja an, das machte ihm nicht die geringste Mühe. Nicht alle Verwandten konnten sich für den Namenswechsel von Thomas begeistern. Doch inzwischen finden es alle toll, oder es ist gar kein Thema mehr. Eigentlich wollten wir beide nach der Hochzeit eine grosse Reise machen, wie das viele tun, wir dachten an Südamerika. Wir sind aber beide sehr kinderlieb, und bald spürten wir, dass uns eine Reise nicht so viel bedeutet, wie wir erst angenommen haben. Wir wünschten uns Kinder.

So kam bald unsere jetzt 4jährige Lea Naomi auf die Welt, nach zwei Jahren unser Sohn Noah Jorin. Wir schenken unsern Kindern viel Zeit, wir sind Eltern aus Begeisterung und erhalten denn auch viel Zuneigung. Der Fernseher steht in einem ungemütlichen Nebenzimmer, und so wurde Fernsehen bei uns zur absoluten Nebensache.

Es macht uns nachdenklich, dass so viele Paare bald Schwierigkeiten haben, wenn mal Kinder da sind. Und noch mehr irritiert uns, dass jede zweite Ehe geschieden wird. Wir möchten uns als Paar etwas zu sagen haben und dabei etwas erleben. Deshalb haben wir bestimmte Rituale eingeführt: Einmal im Monat gehen wir zusammen in den Ausgang, und einmal in der Woche kochen und essen wir zusammen, und zwar erst dann, wenn die Kinder im Bett sind. In diesen Stunden haben wir Zeit für Gespräche, die uns gut tun und uns weiter bringen.

Nadja und Thomas Herzig, Dietikon