Wo die Liebe hinfällt

Folgende Porträts sind im
Limmattaler Tagblatt erschienen:
Herzflattern beim Möbelkauf

Herzflattern beim Möbel kaufen

Petra Jennis und Vicenzo Antennas Liebesgeschichte begann im Möbelladen

Er ist älter als sie und war erst ein guter Freund, der Ratschläge bereit hatte. Als sie auseinander gehen wollten, traf sie plötzlich die Liebe mit aller Macht.

Helen Busslinger-Simmen

Sicht von Petra Jenni

Er und ich mussten neue Möbel haben, jedes für sich. Wir waren Geschäftskollegen. Weil die Suche nach dem ultimativ richtigen Möbelstück zu zweit kurzweiliger ist, streiften wir zusammen durch Geschäfte. Zu unserer Überraschung stimmten unsere Vorstellungen über das, was schön oder hässlich ist, total überein. Ich hatte Herzflattern, wollte es aber ganz und gar nicht wahr haben.So pflegten wir eine intensive Freundschaft. Er beriet mich in Lebens- und Liebesfragen, bald wusste er fast alles von mir.

Er sei eine Kapazität, hiess es im Geschäft, als ich die Stelle einer Chefsekretärin erhalten hatte; damals war er gerade in den Ferien. Wer ist bloss dieser Vicenzo, fragte ich mich sofort und stellte ich mir einen in Ehren ergrauten älteren Herrn vor. Als er dann bei mir in meinem winzigen Büro auftauchte, füllte er sofort den Raum, grössenmässig und mit seinem jungenhaften Charme.

Kurze Zeit vorher hatte ich die Heirat mit einem andern bereits bis ins Detail geplant; ich sagte alle Feierlichkeiten ab. Man war zu Recht schockiert. Eine halbe Ewigkeit lang wusste ich nicht, dass es mehr als Freundschaft war, das ihn und mich verband. Eines Tages rissen wir wegen einer Kleinigkeit eine Diskussion vom Zaun, wir wollten uns gründlich aussprechen und dann jedes seiner Wege gehen. Wir redeten und redeten auf einer Bank, der Zufall wollte es, dass unsere Köpfe zusammen stiessen, als ob das nichts wäre, küssten wir einander auf den Mund. Das war dieser alles verändernde Montagskuss, Magie in Reinkultur. Nachher gab es nichts mehr zu besprechen. Es war gesagt, was zu sagen war. Am Freitag darauf fuhren wir zusammen nach Mailand, es folgten Freitagsküsse, und ich machte ihm im Zug einen Heiratsantrag, obwohl das – wie ich mir nachher überlegte – eigentlich der Mann macht und nicht die Frau. Was solls!

Von aussen gesehen sind wir Gegensätze, ich bin klein und schlank, habe blaue Augen und wirble gern herum, mir fehlt die Schlagfertigkeit. Er er ist einen Kopf grösser als ich, hat dunkle Augen und dunkle Haare und ist ein Kommunikationstalent. Er hat immer den passenden Spruch drauf. Wir lernten streiten und diskutieren, ohne dass schlechte Gefühle zurückbleiben. Den Partner fürs Leben zu finden, das ist das grösste Geschenk, das ich bislang erhielt.

Sicht von Vicenzo Jenni

Eine Liebebeziehung im Geschäft wollte ich nie, das schwor ich mir. Als ich sie kennen lernte, kam in meinem eigensinnigen Kopf nur Freundschaft in Frage. Mit allem kam sie zu mir, ich war ihr Berater. Meine erste Beziehung war in die Brüche gegangen, ich war seit vier Jahren Single. Klar, wollten meine Verwandten mich zum Heiraten überreden, ich sagte immer: Was soll das Gerede? Keine Frau weit und breit in Sicht.

Bei jener wahnsinnigen Aussprache auf der Parkbank wussten wir beide nicht, wie uns geschah, wir fingen an, einander zu küssen. Liebe mit einer Berufskollegin - das war nun passiert. Als sie im Zug sagte, sie könnte mich von Fleck weg heiraten, dachte ich: Hilfe! Wie geht das weiter? Das Tempo war horrend, und ich wackelte hinterher. Einige Tage später kam die SMS-Nachricht mit einer Liebeserklärung, das brachte mich fast aus dem Tritt.

Bei unserer Hochzeit war Italianita angesagt: Siebzig Gäste, ein schönes Fest, alle von Kopf bis Fuss gestylt. Wir genossen das in vollen Zügen und lebten monatelang von den Erinnerungen. Heute bin ich ein richtig guter Ehemann geworden, ich backe Weihnachtsguezli, koche jeden Abend ein Menü und bringe sie zum Lachen. Wir reisen beide fürs Leben gern, haben gern Gäste und Geselligkeit. Ich liebe es, für uns beide Reisen auszudenken und vorzubereiten, und da ich in der Welt herum gekommen bin und an manchen Orten Freunde habe, ist es für mich ein Vergnügen.

Wenn wir uns streiten, dauert es nicht lange, dann folgt ein Riesengelächter. Denn ich bin nicht auf den Mund gefallen und drehe alles so lange um, zum Lachen ist, meine italienische Lebensfreude bricht durch. Was Möbel und Einrichten betrifft, haben wir haargenau denselben Geschmack. Wir ziehen uns zurück in unsere Wohnung, nisten uns ein und lassen die Welt Welt sein.

Petra Jenni, 32 Jahre alt, in Urdorf aufgewachsen, hat das die kaufmännische Lehre und eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin gemacht, ihre Beratungsstelle ist in Dietikon. Vincenzo ist 39 Jahre alt, in Rom und Zürich aufgewachsen, wohnte in Oberengstringen, ist Exportleiter. Heute wohnen die beiden in Friedlisberg.