Exil Urnerinnen und Urner

Folgende Porträts erschienen
in der Neuen Urner Zeitung
bzw. im Urner Wochenblatt (*)
Philipp Flury

Gegen Doppelmoral in Kirche und Militär

Überraschende Enthüllungen des in Altdorf aufgewachsenen Philipp Flury

Der Redaktor und Produzent Philipp Flury macht mit dem Buch „Unter anderen Umständen“ Furore. Er schreibt über seine Mutter, die den strengen Gesetzen der Doppelmoral der 40er Jahre unterworfen war. Auch Geschäfte mit der deutschen Wehrmacht kommen zur Sprache.

Helen Busslinger-Simmen
Es ist noch nicht so lange her, dass eine unverheiratete schwangere Frau aus der Gesellschaft ausgestossen wurde. Das ist eines der Themen des neuen Buches von Philipp Flury, der in Altdorf aufgewachsen ist. Nach vielen Recherchen erfuhr er vom Schicksal seiner Mutter, deren ungewollte Schwangerschaft mit allen möglichen Mitteln verheimlicht wurde. Schliesslich führten ungezählte Umwege zur Heirat und zur Annahme des Kindes. Das Kind, um das es ging, ist Philipp Flury selbst.

Unglaubliche Doppelmoral

In seinem Buch „Unter anderen Umständen“ beschreibt Flury, wie seine schwangere Mutter in der Klinik „Pouponnière de Grangettes“ versorgt wurde, wie seine Geburt in Annemasse zustande kam, wie er schliesslich der eigenen Mutter zugeführt wurde. Nach ihrer Heirat mit Remigi Flury fand seine Mutter in Altdorf eine Heimat.

Sein Grossvater Jean Cron war der geschickte Drahtzieher, der mit viel Energie und Schlauheit, dank ausgedehnten Beziehungen und finanziellen Mitteln seine schwangere Tochter vor den Verwandten und Bekannten versteckte, bis durch die Heirat mit Remigi Flury alles wieder ins Lot kam. Was seine Mutter dabei mitmachen musste, kann man in den sachlich geschriebenen Berichten nur erahnen.

Trotzdem glückliche Jugendzeit in Altdorf

Philipp Flury erfuhr spät vom Schicksal seiner Mutter. Als Kind wusste er nichts von den ungewöhnlichen Umständen, er konnte mit seinen zwei Brüdern und seiner Schwester unbesorgt am Besslerweg in Altdorf aufwachsen. Was er hier beim Dorfleben, in der Schule, in den Ferien im Schächental und beim Tellspiel erlebte, ist für ihn unvergesslich. Noch heute fährt er gern nach Aesch im Schächental, um in seinen Ferienerinnerungen zu schwelgen.

In seinem Berufsleben hatte Flury viel mit medizinischen Sendungen zu tun, war er doch Redaktor und Realisator der Medizinsendung „Gesundheit Sprechstunde“. Dabei knüpfte er Kontakte mit bekannten Chirurgen und konnte chirurgische Meisterleistungen filmen. Sein Interesse an der Medizin führt er unter anderem auf ein Jugenderlebnis in Altdorf zurück. Damals fanden mitten im Dorf die Metzgeten statt. Flury beobachtete als kleiner Junge mit medizinischem Interesse, wie das Schlachten der Tier vor sich ging.

Holzhandel und andere Geschichten

Grossvater Jean Cron war Bauunternehmer und unter anderem im Holzhandel tätig. Bei seinen Recherchen fand Philipp Flury heraus, dass Cron in einen Handel der deutschen Wehrmacht, die Baracken brauchte, verhängt war. Nach Flurys Ansicht war es geschäftlich überhaupt nicht notwendig, mit den Nazis zu kooperieren.

Flurys Hauptintereresse im neuen Buch gilt eindeutig dem Lebens- und Schicksalsweg seiner Mutter. Sie war den Beschlüssen, die vom Vater, der – sehr kirchlich und in vielen Ämtern tätig – gefasst wurden, ausgeliefert. Dass sie schliesslich ihren drei Kindern eine schöne Jugendzeit ermöglichen konnte, zeigt etwas von der grossen inneren Kraft und der Lebensweisheit dieser Frau. Davon bleibt kein Leser, keine Leserin unberührt.

Klar ist, dass man mit dem Buch eintaucht in eine andere Welt mit andern Gesetzen. Es ist ausgestattet mir eindrücklichen Fotos, davon viele von Altdorf. Dass das Kind, um das es eigentlich geht, Flury selbst ist, trotz widrigen Umständen wie in einem Märchen mit einer „Glückshaut“ ausgestattet ist, weckt Erstaunen und innere Freude.