Spannendes aus dem Limmattal

Folgende Porträts erschienen
im Limmattaler Tagblatt:
Rosen für Herrn Grimm

Überraschender Umgang mit Demenz

Dietikon Katja Baumann spielte, wie man einem dementen Menschen begegnen kann

Dem Verein Kellertheater gelang es, das rechte Stück zur rechten Zeit auf die Bühne zu bringen. Die Gäste zeigten sich betroffen vom Inhalt des Stückes und staunten über das Können von Katja Baumann, welche dem Abend das Gesicht gab.

Helen Busslinger-Simmen
Schweizweit hat der schreckliche Umgang mit Dementen im Alters- und Pflegeheim Entlisberg Scham und Entsetzen ausgelöst. Das Thema, zu dem Katja Baumann das Stück „Rosen für Herrn Grimm“ gestaltete, hätte nicht aktueller sein können. Denn eine Spitexfrau war im Einsatz bei einem dementen Mann. Zuerst wurden die Gäste im Stadtkeller lange im Ungewissen gelassen, wohin die Geschichte führen würde. Denn die Schauspielerin Frau Jöhri von der Spitex war zu Beginn recht missmutig und ungeduldig.

Verborgener Mutterwitz

Frau Jöhri brauchte eine gehörige Portion Geduld, und es ging eine Weile, bis Herr Grimm aus sich herauskam. Er entpuppte sich dann aber als ein Zeitgenosse mit verborgenem Witz; jedenfalls stand er bei den Wortgeplänkeln seinem Gegenüber in nichts nach. Frau Jöhri merkte schnell, dass Herr Grimm trotz seiner Demenz eine eigenwillige und kluge Persönlichkeit war.

Ihm zuliebe schleppte sie einen Koffer mit Theaterutensilien herbei. Herr Grimm erzählte von den Theaterspielen, die sein Bruder Jakob zu seinem grössten Vergnügen aufgeführt hatte und bat Frau Jöhri, dies doch auch mal zu versuchen. Das würde ihn so freuen. „Sie können das“ munterte er sie auf.

Rapunzel für Herr Grimm

Herrn Grimm zuliebe spielte Frau Jöhri den König Drosselbart, wagte einen Sologesang, spielte die Rapunzel und zog sich sogar eine Wursthaut über, um eine Bratwurst auf dem Rost zu spielen. Denn so hatte es Jakob früher auch gemacht. Die Erinnerung an frühere Zeiten heiterte Herrn Grimm auf, sein Vergnügen war unbekümmert und durch keine Krankheit getrübt.

Als beide vom wilden Theaterspiel müde waren, kam eine Auseinandersetzung über den Tod in Gang. In der offenen Atmosphäre war es möglich geworden. Schliesslich schlief Herr Grimm friedlich ein, für immer. Frau Jöhri hatte die Genugtuung, ihm seine letzte Stunde aussergewöhnlich heiter gemacht zu haben.

Dass Herr Grimm eine Puppe in Menschengrösse war, war von weitem kaum zu erkennen. Katja Baumann spielte souverän die Stimmen beider Hauptdarsteller, dazu bewegte sie Kopf und Mund ihres Partners. Bald vergassen die Gäste, dass Herr Grimm kein Schauspieler, sondern eine Puppe in Menschengrösse war. Ohnehin interessierten die technischen Details bald nicht mehr, man wurde ins Stück reingenommen.

Ungelöste Fragen

„Anfänglich war ich skeptisch, plötzlich ging mir das Ganze unter die Haut“, sagte Santiago Garcia. „Der Umgang mit Dementen braucht Grossmut und Liebe, das habe bei meiner eigenen Mutter gelernt“, sagte Alberto Wanderley. In einer Diskussion unter den Gästen kamen heisse Punkte zur Sprache: Die jüngsten schrecklichen Ereignisse in Entlisberg, der Zeitmangel des Pflegepersonals, das Abschieben der Alten, das nicht ausgebildete Hilfspersonal, die ganze Palette der Fragen, die heute so viele Menschen beschäftigen.