Uri von aussen gesehen

Folgende Porträts sind in der
Neuen Urner Zeitung erschienen:

Beda Stadler

«Die Vorteile des Klimawandels sind grösser»

Immunologe Beda Stadler: «Die Vorteile durch die Klimaerwärmung sind grösser als die Schreckgespenster.» Bei Gentechfragen ist er angriffslustig, zum Klimawandel hat er eine klare Meinung: Immunologe Beda Stadler über Ernährung und Sturheit. Beda Stadler ist Direktor des Instituts für Immunologie der Universität Bern. Er befasst sich unter anderem mit den in seinen Augen ungesunden modernen Essgewohnheiten.

Helen Busslinger-Simmen

Herr Stadler, Kochen und Essen basiert in Uri auf den Traditionen der Ahnen. Es wurde einfach, sogar karg gekocht. Was sagen Sie dazu?

Beda Stadler: Wäre das Essen der Ahnen ungesund gewesen, gäbe es längst keine Urner mehr. Echte Mangelerscheinungen durch Falschernährung oder wegen ungesunder Nahrungsmittel waren früher sehr selten. Ausnahmen waren allenfalls in bestimmten Regionen Jodmangel, der zu Kröpfen führte. Der Mensch braucht tatsächlich sehr wenig verschiedene Grundnahrungsmittel, um sich gesund zu ernähren. Wer Milch, Eier, Brot und Kartoffeln isst, ab und zu noch etwas Gemüse und hie und da eine Frucht, dem ist früher nichts passiert und wird auch heute nichts passieren. Wer trotzdem Vitamintabletten einkauft oder meint, nur Bio sei gesund, schmeisst sein Geld zum Fenster raus.

Wer in Urner Kochbüchern liest, merkt, dass es kaum mehrgängige Menüs gibt. Essen wir heute zu viel?

Stadler: Natürlich. Selbst wer glaubt, wenig zu essen, kriegt heute oft Nahrungsmittel mit einer zu hohen Energiedichte. Was man an einem Kiosk in der Form von Riegeln, Tafeln und kleinen Beuteln erstehen kann, reicht aus, um ein paar Tage in einer Gletscherspalte zu überleben. Jedes Dorf bietet zudem die Möglichkeit, sich rund um den Erdball zu essen, über Pizza, Döner bis zu Thai und Chinafood. Essen macht eben auch Spass. Die alten einfachen Rezepte machen allerdings nur Spass, wenn man sie nicht jeden Tag essen muss. Es geht also viel mehr um die Frage, ob wir lieber ein kurzes und lustiges Leben wollen, oder was wir eigentlich mit 80 noch tun werden: Vor Gesundheit strotzen, aber den Spässchen nachtrauern.

Im Kanton Uri - mit Föhneinfluss - ist der Klimawandel ein Thema. Die Meinung des Fachmannes:

Stadler: Ich verstehe nicht, warum der Klimawandel so zu einem Monstrum gemacht wurde. Wann immer es etwas wärmer war, ging es uns besser. Eigentlich sollten wir uns freuen, dass keine neue Eiszeit im Anmarsch ist, so wie das die Klimatologen noch vor zwanzig Jahren behauptet haben. Niemand weiss, was die Idealtemperatur für unseren Planeten ist. Es wäre also an der Zeit, sich zu überlegen, welche Vorteile ein Klimawandel für den Kanton Uri haben könnte.

Uri hat Wasser - das muss doch ein Vorteil sein!

Stadler: Uri wird ein Wasserschloss bleiben und hat somit eines der wichtigsten Güter. Selbst die düstersten Klima-Propheten lassen die Gletscher ja nicht gänzlich abschmelzen. Es ist aber eine Wahnvorstellung, zu glauben, man könnte den Klimawandel aufhalten. Die Vorteile durch die Klimaerwärmung sind grösser als die Schreckgespenster, die häufiger als der Föhn durch den Kanton wehen.

In den Bereichen Gentechnik, Alternativmedizin und anderen scheuen Sie keine Konfrontation. Woher kommt Ihre Angriffslust?

Stadler: Das ist nicht Angriffslust, sondern Selbstverteidigung. Wie sollte ich mich sonst verhalten, wenn beispielsweise ein lieber Mitmensch mir versichert, Homöopathie würde wirken. Ich müsste antworten: ‹Sie haben einen Dachschaden, oder leiden bloss an einem ‹Bobo›, das mit reinem Wasser oder Zucker behandelt werden kann.› Ich versuche also bestimmte Mitmenschen nicht allzu ernst zu nehmen und sie trotzdem zu lieben. Das gibt mir das Recht, mich über fast alles lustig zu machen. Allerdings: Wer keinen Spass erträgt, fühlt sich angegriffen.

Im Kanton Uri fällt man nicht auf jede Neuerung herein: Hat diese Zurückhaltung auch Vorteile?

Stadler: Als Walliser kenne ich die Zurückhaltung auch unter einem anderen Begriff: Sturheit. Aber wenn Zurückhaltung ein Ausdruck von Skepsis ist, weil man nicht jedem Dahergelaufenen alles glaubt, dann ist es natürlich eine sehr gesunde Einstellung. Diese Art von Skeptizismus trifft man in den Bergen recht häufig an. Wer tagtäglich unverrückbare Bergmassive vor Augen hat, tut gut daran, zu wissen, dass auf der anderen Seite der Berge auch alles nur mit natürlichen Dingen zu und hergeht. Zudem: Wer abwartet, kriegt die Dinge meist etwas günstiger.